Das Spiel mit der Macht

6 Apr

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Was in der Hochschule Hannover in den letzten Monaten vorging, ist einmalig in der Geschichte Niedersachsens. Der Senat wählte das gesamte Präsidium ab. Rückblick auf ein Machtgerangel über mehrere Etappen. Von Baalgure Gbellu

Lothar Hühnerbein hat keine einfache Aufgabe. Der Hochschulexperte ist am 20. März zum kommissarischen Leiter der Hochschule Hannover bestellt worden. Führungslos wurde die Hochschule als Folge eines monatelangen Machtkampfes. Die Präsidentin Rosemarie Kerkow-Weil war erst ein Jahr im Amt, als die scharfe Kritik des Hochschulsenats zu ihrem Rücktritt führte.

„Erstmalig in Niedersachsen nimmt ein kommissarischer Leiter die Funktion des Präsidiums wahr. Dies ist eine ausgesprochen schwierige Situation, sowohl für die Hochschule als auch für mich als Beauftragten“, so Hühnerbein. Doch wie ist es überhaupt dazu kommen?

Schon wenige Monate nach Amtsantritt wird Kerkow-Weil kritisiert für ihren autoritären Führungsstil.  Der Senat, das gewählte Gremium aller Hochschulgruppen, beklagt sich zudem über mangelnde Transparenz bei Beschlüssen. Ein Streit um Zulagen für Professoren befeuert die Debatte weiter. Kerkow-Weil hatte die Sparbremse gezogen und Zulagen-Anträge auf Eis gelegt.

Der Unmut der Belegschaft gipfelt in einem drastischen Schritt, der landesweit einmalig ist: Am 11. Januar wählt der Senat das Präsidium ab. „Wir nehmen die Kritik sehr ernst, aber wir sind ein gutes Team und wollen weiter für die Perspektiven der Hochschule arbeiten“, sagt Kerkow-Weil kurz nach der Entscheidung des Senates.

Nach niedersächsischem Hochschulgesetz ist eine Abwahl des Präsidiums nur möglich, wenn neben dem Senat auch der Hochschulrat zustimmt. Der Rat, der auch mit externen Vertretern besetzt ist, entscheidet sich einen Monat später gegen die Abwahl.

Dadurch gestärkt, holt Kerkow-Weil zum Gegenschlag aus. In einem 15-seitigen Papier an alle Mitarbeiter der Hochschule zeigt sie den dramatischen Zustand der bisherigen Finanz- und Verwaltungsstrukturen. Um die Vorwürfe bezüglich der Professorenzulagen zu entkräften, wird ein Wirtschaftsprüfungsinstitut beauftragt. Das Ergebnis gibt Kerkow-Weil Recht.

Doch der Gegenwind hält an. Demonstrationen begleiten den Hochschulalltag. Der Mehrheit der Mitarbeiter und Studierenden geht es nicht allein um einzelne Fakten. Die Kritik betrifft vielmehr die Führungsstrategie im Allgemeinen. „Demokratische Entscheidungsprozesse werden an der Hochschule außer Kraft gesetzt – das Vertrauen ins Präsidium ist nachhaltig gestört“, so ein Professor der Fakultät V, der namentlich nicht genannt werden will.

Die Fronten sind verhärtet. „Ich werde angegriffen, weil ich eine Frau bin“, mutmaßt die Präsidentin. Der Senat wiederum ist „befremdet über die Darstellung der Situation der Hochschule in der Öffentlichkeit“ durch das Präsidium.

Einen weiteren Monat später dann der Rücktritt Kerkow-Weils, sowie der Vizepräsidenten Günter Hirth und Henning Ahlers. „Wir scheiden aus unseren Ämtern aus in großer Sorge um die Zukunft der Hochschule Hannover. Die Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbstreinigung und Korrektur innerhalb der Gremien ist unseres Erachtens unterentwickelt. Die Hochschule Hannover zukunftsfähig weiterzuentwickeln ist auf dieser Grundlage eine kaum zu bewältigende Aufgabe.“

Ihre Gegner hingegen sehen im Rücktritt den ersten Schritt zum Neuanfang der im Machtgerangel erstarrten Hochschule. Dem Präsidium habe bis zum Schluss die Einsicht gefehlt, dass nicht die Probleme an sich, sondern der Umgang zum Abwahl-Verfahren geführt habe, so der Senat in einer schriftlichen Erklärung. Eine überwältigende Mehrheit der Professoren und Studenten würde den Senat in dieser Haltung überstützen.

Auch der AStA begrüßt den Rücktritt: „Von der neuen Führung erhoffen wir uns künftig eine bessere Kommunikation, mehr Transparenz und eine demokratische Entscheidungskultur.“

Fünf Tage später, am 20. März, übernimmt Lothar Hühnerbein das Zepter. Die Hochschule Hannover und er sehen schwierigen Zeiten entgegen. Dennoch zeigt sich Hühnerbein vorsichtig optimistisch: „Ich begreife diese Aufgabe als eine große Herausforderung und hoffe, dass es mir gelingt, mit den Organen, Gremien sowie einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen guten Weg einzuschlagen“.

Foto: diffusor (http://www.flickr.com/photos/diffusor/3738284071/)

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